Der Luckenwalder Wald im Elch-Test
Ein Interview mit Bert, dem Elch aus Nuthe-Urstromtal.

LÖS traf sich mit Bert, dem Elch, in der Nähe von Hennickendorf. Seine Ansichten zum Luckenwalder Wald und zu anderen Fragen sind sehr erhellend. Es zeigt sich mal wieder, wie wichtig es ist, verschiedene Perspektiven zu sehen und mit echten Experten zu reden.
Bert, kennst Du den Luckenwalder Wald?
Ja, selbstverständlich. Es sind keine 10 km von hier nach Luckenwalde und 10 km sind für einen erwachsenen Elch keine große Strecke. Außerdem rede ich, genauso wie mit Euch, mit den Rehen, Hirschen und Wildschweinen und anderen Tieren aus dem Luckenwalder Wald. Und ich verstehe auch die Morsezeichen der Spechte.
Bert, Dir als Experte, wie gefällt Dir der Luckenwalder Wald?
Für mich persönlich ist in dem Wald zu viel los, weil er so nah an der Stadt ist. Es war jahrelang ein schöner Wald, und er ist beliebt bei Spaziergängern aus Luckenwalde. Der Wald hat sich schön entwickelt, und weil kaum gejagt wird, kommen an vielen Stellen die leckeren Laubbäume von alleine hoch.
Was meinst Du mit „Es war jahrelang ein schöner Wald.“?
Ganz ehrlich, ich verstehe nicht, was in Luckenwalde passiert. Im letzten Winter fuhren stinkende Riesenmaschinen durch den Wald und haben ganz viel platt gemacht. Gerade auch an den Stellen, wo sich die Wildtiere zurückziehen konnten. Die Spaziergänger waren auch verzweifelt, weil viele Wege kaputt gemacht wurden. Ich verstehe, dass die Menschen gerne im Wald Entspannung suchen und sich über die Natur freuen. Aber die Menschen brauchen die Wege. Sie sind abseits der Wege furchtbar unbeholfen. Warum machen sie sie selbst kaputt?
Was sagen Deine Luckenwalder Bekannten?
Sie sind alle entsetzt. Die Schwarzspechte sind erstmal abgehauen. Die Rehe machen sich Sorgen um ihre zukünftige Ernährung. Ganz viel von ihrem Futter, von den kleinen Laubbäumen, wurde einfach zerstört. Besonders grotesk ist, dass im Wald hinter dem Waldfriedhof, wo viele schmackhafte kleine Eichen wuchsen, der Wald eingezäunt wurde und amerikanische Roteichen gepflanzt wurden. Warum nimmt man vitale, wohlschmeckende kleine einheimische Eichen weg, um fremde Eichen zu pflanzen, die bei Trockenheit ziemliche Schwierigkeiten hatten? Außerdem sind Roteichen doof. Sie haben große harte Blätter, die auch nicht verwittern, wenn sie im Herbst heruntergefallen sind. Sie bilden eine dicke Schicht auf dem Boden und verhindern, dass andere leckere Pflanzen wachsen können. Insekten können Roteichen auch nicht leiden.



Bert, manchmal machen die Menschen wirklich merkwürdige Sachen. Vorhin hast Du gesagt, der Luckenwalder Wald hätte sich schön entwickelt, weil kaum gejagt wird. Was meinst Du damit? Die Jäger wurden so etwas nicht behaupten. Stimmst Du den Thesen des Wildbiologen Josef Reichholf zu?
Also, das ist jetzt eine komische Frage. Mit Jägern rede ich ehrlich gesagt nicht sehr gerne. Sie sind mir schon irgendwie suspekt. Und wissenschaftliche Texte lese ich auch nicht. Vergesst nicht, dass ich erst acht Jahre alt bin. Habt Ihr mit acht schon wissenschaftliche Texte gelesen?
Gut, Bert, aber wie ist das mit dem Wild in Gebieten, in denen nicht gejagt wird?
Wo nicht gejagt wird, haben die Tiere keinen Stress, dort leben sie ganz anders. Wo gejagt wird, kriegen sie viel mehr Kinder, sie müssen ja die ermordeten Artgenossen ersetzen. Und sie sind ständig auf der Flucht. Wo keine Jagd ist, funktioniert das soziale Gefüge besser. Die Tiere kriegen nur so viele Kinder, wie der Wald dauerhaft ernährt. Sie fressen ihn nicht leer. Dort können kleine Bäume groß werden, auch wenn sie sogar leckerer sind als Waldmeistereis mit Birkenknospensoße..
Im Luckenwalder Wald scheint in letzter Zeit eher mehr gejagt zu werden?
Was ich überhaupt nicht verstehe, ist der Hochsitz am alten Freibad. Ich bin ja öfter nachts im Wald unterwegs. Das alte Freibad wird gerne von Menschen besucht, die da zusammen sitzen und feiern. Manchmal sondern sich Menschinnen und Menschen dann auch ab, verziehen sich ins Gebüsch und knutschen wie die Elche! Und genau dort sitzt der Jäger auf seinem Hochsitz. Ich frage mich, wie lange das gut geht.
Meinst Du, ohne Jagd müssten die Schonungen nicht eingezäunt werden?
Ja. Als Mensch würde ich den Erholungswald befrieden. Keine Jagd zu lassen. Der Wald würde sich von selbst verjüngen. Dann können die Spaziergänger bald einen wunderschönen Wald genießen.
Danke, Bert, LÖS wird das in seine Agenda aufnehmen. Willst Du uns noch etwas zum Luckenwalder Wald sagen?
Einen Punkt habe ich noch: Die vielen kleinen Flugzeuge, die da bei schönem Wetter ziemlich tief drüber fliegen. Mir wäre das zu laut. Machen Menschen manchmal anderen Menschen das Leben schwer? Stört Euch Menschen das nicht auch?
Ja, das ist auch ein Thema. Viele Leute sind genervt davon. Man sitzt bei Sonnenschein am Wochenende im Garten, und alle fünf Minuten kommt ein Flugzeug vorbei.
Noch schlimmer sind die Hubschrauber. Und zwar die, die Gift über dem Wald verteilen. Die kommen nicht alle fünf Minuten. Aber wenn sie glauben, dass es zu viele Insekten gibt, kommen sie und spritzen Gift. Danach liegt der ganze Wald voller toter Insekten aller Arten. Die vergifteten Insekten werden dann von anderen Tieren gefressen. Das ist sehr ungesund. Ich bin dann auch ganz schnell weg. Aus so einem Wald esse ich nichts. Auch hier gilt: Man muss den Wald anders wachsen lassen. Dort wo es viele unterschiedliche Baumarten gibt, gibt es auch keine Massenentwicklung von einigen Insektenarten. In Luckenwalde waren die Hubschrauber aber noch nicht unterwegs. Das war jetzt eher allgemein gemeint.
Du hast hier wirklich einen schönen Platz gefunden. Ich hoffe, dass Du Dich hier noch lange wohlfühlen kannst.
Das hoffe ich auch. Die Menschen machen manchmal gute Sachen und kümmern sich um die Natur. Aber dann kommt wieder der große Rückschlag. Was sollen die Windräder im Wald? Vielen Dank dafür, aber wir Tiere brauchen keinen Strom. Produziert doch bitte den Strom bei Euch. Baut die Windräder in den Städten, wo der Strom gebraucht wird! Dann wisst Ihr, wie diese Windräder nerven, und Ihr würdet anfangen, Strom zu sparen. Ich glaube, manche Menschen denken zu wenig darüber nach.
Bert, Deine Sicht auf die Menschen ist wirklich sehr aufschlussreich. Es lohnt sich einfach, mit Expertinnen und Experten zu reden. Vielleicht wechseln wir noch das Thema. Bert, Du bist vor einigen Jahren aus Polen nach Deutschland gekommen. Wie fühlst Du Dich als Einwanderer in Deutschland?
Nun. Ich darf mich ja recht frei bewegen. Das Halsband mit dem Sender kriege ich bloß leider nicht ab. Es ist schon etwas übergriffig, dass ich ständig überwacht werde. Aber viele Menschen verstehen das Problem nicht. Sie lassen sich mit ihren Smartphones auch ständig tracken und machen sich darüber keinen Kopf. Ich muss deshalb natürlich etwas vorsichtig sein. Es reicht, dass man mir irgendetwas Böses vorwirft. Dann bin ich plötzlich ein Problemelch – und alle wissen sofort, wo sie mich finden. Das finde ich gruselig.

Vielleicht musst Du mal mit dem Datenschutzbeauftragten sprechen. Hast Du als Einwanderer schon mal Ausgrenzung und Diskriminierung erlebt?
Ich habe mal in Sachsen-Anhalt eine nette Kuhherde kennengelernt, bei der ich mich sehr wohlgefühlt habe. Die Bauern hatten Angst, dass ich die Kühe wuschig mache und die Milch sauer wird, Sie wollten mich von Jungbullen vertreiben lassen. Denen war ich aber egal. Da haben sie die Kühe auf eine andere Weide, einige Kilometer entfernt, gebracht. Ich wurde behandelt, als hätte ich Ungeziefer oder gefährliche Krankheiten. Wenn sie gekonnt hätten, hätten sie mir vielleicht noch eine Maske über den Muffel gezogen! Naja, ich habe die Kuhherde wiedergefunden. Aber dann bin ich doch wieder lieber zurück nach Brandenburg. Ich bin ja auch kein Frühaufsteher.
Lieber Bert, vielen Dank für die Einblicke in Deine Gedanken! Wir hoffen, dass es Dir noch lange gut geht bei uns, und dass die Menschen weiterhin freundlich sind zu Dir. Wir werden Deine Vorschläge beherzigen und würden uns freuen, wenn es nicht das letzte Mal war, dass Du uns kluge Ratschläge gibst.
Links allgemein:
Link zur Anfrage von LÖS vom 22.08.2022 zur Pflanzung von Roteichen im Stadtwald inkl. Antwort der Verwaltung
Link dazu, was man anderswo von Roteichen hält.
Link zum Vortrag von Prof. Dr. Josef Reichholf „Jagd reguliert nicht“ auf Youtube
Link zum Bericht auf hna.de zu Berts Besuch in Sachsen-Anhalt
Links zum Thema Hochstand auf dem Gelände des alten Freibads:
Anfrage im Ausschuss für Gesundheit und öffentliche Ordnung am 22.08.2022 und Antwort der Verwaltung
Nachfrage dazu im Ausschuss für Gesundheit und öffentliche Ordnung am 06.02.2023 und Antwort der Verwaltung
Wenn wir nicht zufrieden sind, können wir auch ein bisschen nerven:
Erneute Nachfrage zur Antwort auf die Anfragen im Ausschuss für Gesundheit und öffentliche Ordnung zur Jagd im Stadtwald vom 22.08.2022 und 06.02.2023 und Antwort der Verwaltung
Links zum Insektizideinsatz im Wald:
MAZ vom 15.05.2019
MAZ vom 24.05.2019
Kein Gift in Brandenburgs Wäldern auf tempelwald.de
Stellungnahme von Dr. Ricarda Voigt zu den Aussagen des Landesbetriebs Forst Brandenburg zu den
Bekämpfungsmaßnahmen mit Karate Forst flüssig gegen die Nonne